Das Tagebuch der Sophie Flynt

      Das Tagebuch der Sophie Flynt

      Dienstag 19. März 1963

      Jedes mal wenn es dunkel wird, und ich mein Haus betrete macht sich ein Unbehagen in mir breit. Tags über geht es. Aber Abends?

      Erst recht im Keller. Licht aus, Treppe wieder hoch. Als ist dort etwas im Dunkeln was mich gerade beobachtet. Man denkt sich dabei das sind die ganzen Ängste und Gefühle die jeder hat. Hervorgerufen durch den normalen Horror und Wahnsinn im Fernsehen und in Büchern. Ein Horrorfilm hier, eine Gruselgeschichte da. Das brennt sich doch alles ein möchte man sagen. Jeder kennt es. Dieses unangenehme Gefühl.

      Und jetzt kommt der Teil den ich nicht verstehe. Meine Tochter hat genau das gleiche Gefühl. Im Dunkeln zu Hause. Die Treppe. Das Gefühl beobachtet zu werden. Alles das Gleiche wie bei mir. Mit 14 hat man doch keine Angst mehr vor sowas.

      Eines Tages, als ich aus dem Keller wieder nach oben ging, hörte ich eine Art Kratzen hinter mir. Ein beängstigendes Gefühl. Aber als ich weiter ging, und eine der Stufen knarrte, ging ich davon aus das es auch nur das Geräusch einer knarrenden Stufe war.


      Mein Mann merkt davon nichts. Hirngespinste sagt er. Auch wenn ich im sage das Catherine genau das gleiche fühlt. Für ihn ist das alles nur ein schlechter Witz. Meine Tochter lässt sich inzwischen schon von Ihrem Schultherapeuten beraten. Für ihn ist es die Pubertät. Auch ihm ist es anscheinend egal das meine Tochter nicht die einzige im Haus ist, die diese Dinge bemerkt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von „Elysses“ ()

      Donnertag, 21. März 1963

      Gestern Nacht habe ich sehr unruhig geschlafen. Es waren aber keine Träume die mich plagten. Ständig bin ich aufgewacht diese Nacht. Keine Stunde verging, in der ich nicht wieder wach wurde. Jedes mal mit dem Gefühl das jemand mit im Raum ist. Doch selbst wenn ich das Licht einschaltete, war dort niemand.

      Mein Mann hatte die Nase mal wieder voll und ging in unser Gästezimmer um dort in Ruhe zu schlafen. Ich weis nicht mehr wie lange er es noch mitmacht. Ein weiterer Streit ist so gut wie sicher.

      In letzter Zeit streiten wir uns sehr oft wegen dem Thema. Beleidigungen werden ausgetauscht, es wird sich angeschrien. Ich habe Angst vor dem Tag an dem er die Hand gegen mich erhebt.
      Montag, 25. März 1963

      Eben ging ich gerade wieder in den Keller. Ich wollte nur die Wäsche holen. Ich stand unten an unserer Wäscherutsche und hörte wie immer das leise Pfeifen des Windhauchs, der irgendwo bei uns durch die Bodendielen kommt.

      Doch diesmal war es anders. Ich hörte nicht nur das Pfeifen, ich konnte es sogar spüren. Es war nicht das Gefühl, als wenn einen eine leichte Sommerbrise umschmeichelt. Nein es war viel mehr als würde man jemanden anhauchen, man die Atemluft von jemanden im Nacken spüren. Verbrauchte Luft.

      Für gewöhnlich flackert unsere Glühbirne im Keller nur selten. Aber dieses mal bewegte sie sich plötzlich hin und her, und flackerte wild auf. Nach ein paar Sekunden war es auch wieder vorbei.

      Ich weis nicht ob ich Edward davon erzählen sollte. Ich möchte keinen Streit.
      Irgendwas stimmt nicht mit diesem Haus.
      Samstag, 30. März 1963

      Ich kann es nicht fassen. Er hat seine Drohungen wahr gemacht. Der Frust den Edward über 11 Jahre Ehe hinweg angesammelt hat, hat sich mit einmal über mir entladen.

      Ich war bisher immer so ehrlich und habe meinem Mann alles erzählt was mich bedrückt, was mich stört, was mir ein Unbehagen bereitet. So hatte ich mich also dazu entschlossen ihm von den Geschehnissen vom Montag zu erzählen.

      Schon als ich mit dem Thema anfing spürte ich, das er innerlich vollkommen blockierte. Sein Gesichtsausdruck spiegelte seinen Zorn direkt wieder.

      Ich hatte es kaum ausgesprochen, schon ballte er die Fäuste, und begann mich anzuschreien.

      Ich solle endlich mit diesen Albernheiten aufhören. Meine Fantasie spiele mir ein Streich. Und weitere Obszönitäten die ich nicht einmal dir anvertrauen möchte liebes Tagebuch.

      Als ich mich gegen seine Worte erheben wollte, trat all der Zorn hervor der sich in ihm versteckte, und er stieß mich gegen unser antikes Wandregal.

      Edward kränkelt seitdem. Fühlt sich schwach, matt, fiebrig. Vielleicht straft ihn Gott direkt dafür das er die Hand gegen seine Frau erhoben hat.
      Freitag, 5. April 1963

      Gestern Abend wollte ich nach Catherine sehen ob sie schon schläft. Doch als ich in ihr Zimmer ging war sie nicht dort. Ich habe das Zimmer abgesucht, doch sie war nirgends.

      Ich ging runter um es Edward zu sagen der still in seinem Sessel saß, und ein Glas Brandy trank. Er reagierte nicht auf das was ich sagte. Er würdigte mich nur eines wütenden Blickes, und trank weiter.

      Das ganze Haus habe ich abgesucht. Selbst draußen. Doch sie war nirgends zu finden. Als ich dann aber wieder in ihr Zimmer gehen wollte, und aus dem Fenster im Flur blickte, sah ich sie.

      Sie stand hinter unserem Haus. Den Blick auf den Wald vor ihr gerichtet. Sofort stürmte ich zu ihr hinaus. Ich fragte sie was sie hier draußen macht. Doch ich bekam, wie bei Edward, keine Antwort. Ihr Blick wich nicht vom Wald ab, bis ich mich genau vor sie stellte.

      Ich rüttelte an ihrer Schulter und fragte sie erneut. Keine Antwort. Nur ein Blick. Ein leerer Blick. Ein leerer Blick der mir so das fürchten lehrte, das ich sie an der Hand packte und in ihr Zimmer brachte.

      Den Rest der Nacht verbrachte ich unten auf dem Sofa mit Blick zur Treppe.